Band 1: Versailles - Ein Racheakt der Sieger?

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Neben einer Reihe von Artikeln sind drei Arbeiten zu nennen, die Oskar Stillich zum Versailler Vertrag verfasst hat und die in dem Band abgedruckt sind: 1. Der Friedensvertrag im Spiegel deutscher Kriegsziele, erschienen 1921 und in zweiter, ergänzter Auflage 1922, 2. Katechismus des Friedensvertrages für Jugend und Volk, ebenfalls 1922, und 3. Deutschland als Sieger! 1924 publiziert.

Stillichs „Katechismus des Friedensvertrages für Jugend und Volk“ ist die bis heute einzige Veröffentlichung, welches die verwickelten und schwierigen Probleme des Versailler Vertrages in Frage und Antwort behandelt, sowie klar, einfach und sachlich vor Augen führt, worauf es dem Friedenswerk ankam – entgegen vielen anderen Schriften über den Friedensvertrag mit völkerverhetzender Tendenz. Der „Katechismus“ eignet sich daher immer noch dafür, von Lehrern genutzt zu werden, die ihre Schüler in die Materie des Vertrages einführen wollen.

In seiner Schrift „Der Friedensvertrag von Versailles im Spiegel deutscher Kriegsziele“ verdeutlicht Stillich, dass der Vertrag nicht gar so ungerecht war, wie es nach wie vor weithin behauptet wird. Auf der Grundlage dokumentarisch erbrachter Stellungnahmen aus der Zeit des Weltkrieges belegt er, in welchem Ausmaß die Propagandisten eines „Siegfriedens“, insbesondere die Militärs und Alldeutschen, den Feinden Bedingungen auferlegen wollten, die den Versailler Frieden um ein Vielfaches übertroffen und wirklich einen „Schandfrieden“ dargestellt hätten.

In „Deutschland als Sieger“ vergleicht Stillich „Versailles“ mit den Verträgen, die Deutschland 1871 Frankreich sowie Russland und Rumänien 1918 auferlegte. Der „Friede von Bukarest“ orientierte sich eindeutig daran, Rumänien unter deutsches Joch zu bringen. Der „Frieden von Brest-Litowsk“ nahm Russland ein Drittel des Gebietes des früheren Zarenreiches ab. Ein „deutscher Friede“ hätte sich, wäre das Kaiserreich als Sieger aus dem Weltkrieg hervorgegangen, vom Versailler Vertrag der Entente-Mächte unterschieden wie die Nacht zum Tage. Nicht zuletzt beweist der „Friede von Bukarest“, wie sehr die militärischen Oberbefehlshaber vom Eroberungswillen durchdrungen waren.

Stillichs Schriften über den Versailler Vertrag stellen eine große Ausnahme dar. Dass es nichts annähernd Vergleichbares gibt und sie selbst in der gegenwärtigen Versailles-Rezeption keine Berücksichtigung finden, macht ihren bleibenden Wert aus. Es sind gründlich erarbeitete und gut lesbare Darstellungen, ruhig und sachlich formuliert, tendenzfrei und geeignet, sich eine ganz andere deutsche Tradition des Umgangs mit „Versailles“ vor Augen zu führen. So hat sich kein Wissenschaftler, Journalist, Politiker, Staatsrechtler oder Jurist engagiert und systematisch für eine gerechte Würdigung des Versailler Friedensvertrages eingesetzt wie Oskar Stillich.

Zu einem späteren Zeitpunkt bzw. in der Buchveröffentlichung erfolgt die Publikation eines längeren Nachwortes zu dem Band von Helmut Donat unter dem Titel „Oskar Stillich – ein Leben für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Freiheit“. Es enthält eine ausführliche Würdigung seines Wirkens für eine angemessene und unparteiische Beurteilung des Versailler Vertrages.

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