Brief von Helmut Donat an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Sehr geehrter Herr Minister Habeck,

ich schreibe Ihnen aus großer Sorge. Mit der Entscheidung der Bundesregierung, unterstützt von einer großen Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Ukraine „schwere Waffen“ zu liefern, ist das Räderwerk des Krieges weiter angetrieben worden und sind wir m.E. der Gefahr eines Dritten Weltkrieg näher gerückt. Notwendig wäre es vielmehr, alles für eine Deeskalation zu tun. Doch das genaue Gegenteil geschieht – und auch Sie sind dafür mitverantwortlich.

In der Sendung von Maybritt Illner am 28. April 2022 haben Sie sich ausführlich dazu ge-äußert, warum Deutschland aus Ihrer Sicht der Ukraine nun schwere Waffen geben müsse. Vorab haben Sie W. Putin als einen Menschen bezeichnet, „der die Wirklichkeit falsch einschätzt“

Die Lieferung schwerer Waffen aus deutschen Rüstungsbeständen ist von Ihnen wie folgt begründet worden: „Wenn man im Krieg ist, und zwar in solch einem, wo ja die Bevölkerung [hier erfolgte eine kurze Sprechpause] abgeschlachtet wird, dann kann eine Unterstützung nie genug sein. Das versteh‘ ich vollständig. “ Dagegen ist einzuwenden:

Ihre und die Politik der Bundesregierung ist offenbar mehr, als es Ihnen bewusst ist, von der ukrainischen Kriegspropaganda geleitet, folgt dieser unkritisch und ist damit von einer wirk-lichkeitsgerechten Einschätzung weit entfernt. So stellen z.B. die von W. Selenskij am 5. April 2022 in einer Video-Botschaft verbreiteten Erklärungen, russische Soldaten hätten in einigen Dörfern schlimmere Verbrechen begangen als die Nazis vor achtzig Jahren, eine grobe Verfälschung dar. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass an Teilen der ukrainischen Bevölkerung ein Massaker von Russen verübt worden ist, so liegt dieses grausame Geschehen eher auf der Ebene des von US-Soldaten im Mai 1968 in My Lai begangenen Kriegsverbrechen an vietnamesischen Zivilisten als an einem Genozid, wie von W. Selenskij behauptet und nahegelegt.

In welchem Ausmaß selbst die als seriös geltende Berichterstattung in der Bundesrepublik Deutschland der ukrainischen Kriegspropaganda oftmals entspricht bzw. erlegen ist, offenbaren z.B. folgende, in der „ARD-Tagesschau“ verbreiteten Mitteilungen: Zunächst zeigt man durch einen russischen Angriff zerstörte Gebäude und weist zugleich darauf hin, dass dabei drei Zivilisten getötet worden seien. In der nächsten Szene spricht ein ukrainischer Soldat in das ihm vorgehaltene Mikrofon, es finde ein „Völkermord“ statt. Dazu gibt es weder einen Kommentar noch eine Richtigstellung! Ich frage mich, und ich frage Sie, was dies noch mit einer seriösen Berichterstattung zu tun hat? Dass drei Menschen bei einem Raketenangriff zu Tode gekommen sind, ist gewiss schrecklich und verwerflich – ein „Völkermord“ ist es nicht!

Ein weiteres Beispiel. In der ARD-Tagesschau vom 18. April 2022 (20.00-20.15 Uhr) heißt es: „Dicke Rauchwolken über Lwiw im Westen der Ukraine, etwa achtzig Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Offenbar hat es mehrere Raketenangriffe gegeben. Es sollen Militärobjekte, aber auch andere Ziele getroffen worden sein. Offiziellen ukrainischen Angaben zufolge sollen sieben Menschen getötet worden sein. Der Bürgermeister [Andrij Sadowyj] erhebt schwere Vorwürfe: ,Was wir heute in der Ukraine sehen, ist Völkermord, der gezielt von dem Aggressor gegangen wird, der Zivilisten tötet. Sieben friedliche Menschen hätten Pläne für ihr Leben gehabt, heute ist ihr Leben gestoppt worden!'“ Bei diesem Angriff sind offenbar sieben Menschen ums Leben gekommen, und erneut ist von einem „Völkermord“ die Rede – wiederum ohne jeden Kommentar oder eine sachliche Richtigstellung.

In der ARD-Tagesschau vom 19. April 2022 (20.00-20.15 Uhr) heißt es zu den Angriffen auf Lwiw: „Deutliche Worte des ukrainisches Außenministers [Dmytro Kuleba]: ,Dieses Russland zerstört, tötet, foltert, vergewaltigt. Dieses Russland verdient keine Sympathie und kein Verständnis. ‚“ Auch hier kein Kommentar zu der offensichtlich aus kriegspropagandistischen Gründen erfolgten Herabsetzung der russischen Bürger.

In der ARD-Tagesschau vom 22. April 2022 (15.10 Uhr) heißt es: „Ein Feld nahe der Hafenstadt Mariupol. Auch hier soll es Massengräber geben. Diese Satellitenaufnahmen weisen darauf hin. Tausende Zivilisten sind dort nach Angaben der örtlichen Behörden begraben (Bericht Vassili Golod). “ Belege für die Aussage gab es nicht, lediglich Bilder, auf denen zu sehen war, dass es sich – fein säuberlich, Grab für Grab und in Reih und Glied aneinandergereiht – um offenbar Ausgegrabenes handeln sollte. Sieht so ein Massengrab aus? Wes Geistes Kind der deutsch-ukrainische Journalist V. Golod ist, hat er bereits am 10. März 2022 auf „Twitter“ verkündet: „Russland ist auf Jahre kein Partner mehr. Regimewechsel & Nuklearwaffen entfernen, dann können wir 2050 oder so mal… “ Wie will man mit solchem Denken Friedensverhandlungen führen? Von „Massengräbern“ nahe Mariupol ist bis heute nicht weiter berichtet worden. Gibt es sie vielleicht gar nicht?

In der ARD-Tagesschau vom 23. April 2022 (20.00-2015 Uhr ) heißt es: „Der Gouverneur von Luhansk Serhij Hajdaj: ,Die bombardieren ständig alles – mit Artillerie und Flugzeugen, rund um die Uhr. “ Auch diese Äußerung blieb ohne Kommentar und Richtigstellung.

Im ARD-Presseclub vom 24.4.2022 sagte Anja Sauerbrey, Koordinatorin für Außenpolitik bei dem Wochenblatt DIE ZEIT: „Dieser Krieg ist darauf angelegt, die Ukraine als Staat zu ver-nichten, und ist auch darauf angelegt, viele Ukrainer zu töten, auch Zivilisten. “ Belege für ihre Behauptung gab sie nicht. Auf eine kommentierende Richtig- bzw. Infragestellung der Aussage von A. Sauerbrey wartete man ebenfalls vergeblich.

Ich führe diese Beispiele an, um Ihnen den Hintergrund vor Augen zu führen, in dem ich Ihre Äußerung von der Abschlachtung des ukrainischen Volkes angesiedelt sehe. Dass der Oppositionsführer Friedrich Merz in derselben Sendung ebenfalls von einem „barbarischen Schlachten der Menschen“ in der Ukraine gesprochen hat, zeigt, wie sehr Regierung und Opposition in der Bewertung des Ukraine-Krieges übereinstimmen – und dabei auf verfälschende Bekundungen bzw. Interpretationen zurückgreifen.

Mir ist die Verwendung des Begriffs „Abschlachtung“ für einen Völkermord bislang nur im Zusammenhang mit dem Genozid des armenischen Volkes durch das Osmanische Reich be-kannt, wie dem in meinem Verlag seit 1987 in mehreren Auflagen und nach wie vor verbreiteten Titel des Buches von Heinrich Vierbücher zu entnehmen ist: „Was die kaiserliche Regierung den deutschen Untertanen verschwiegen hat. Armenien 1915. Die Abschlachtung eines Kulturvolkes durch die Türken“. Mit dem Krieg in der Ukraine hat die damit verbundene Ausrottungsstrategie und bislang größte Christenverfolgung in der Geschichte der Menschheit, der über eine Million Menschen zum Opfer gefallen sind, nichts zu tun.

Ihre wie die anderen Ihnen vor Augen geführten Äußerungen belegen, dass diese einer Manipulation der öffentlichen Meinung in unserem Land gleichkommen. Eine solche mehr oder minder amtliche und von großen Teilen der Presse unterstützte Irreführung des deutschen Volkes steht seit 1914 in einer schlimmen Tradition. Damals hat man Eroberungsabsichten mit verteidigungspolitischen Argumenten gerechtfertigt.

Ich appelliere an Sie: Es ist hohe Zeit, sich das nicht nur in Erinnerung zu rufen, sondern auch alles zu tun, um den Krieg zu beenden, zumal die Gefahr seiner unkontrollierbaren Ausweitung besteht. Welche diplomatischen Bemühungen haben Sie und die anderen Vertreter der jetzigen Regierung in diesem Sinne bislang unternommen? Und welche Schritte planen Sie in den nächsten Wochen darüber hinaus?

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich von Ihrer Fehleinschätzung distanzieren und Sie zugleich versichern, sich künftig nicht weiter daran zu beteiligen, im Rahmen der von Ihnen vertretenen Politik auf Mittel zurückzugreifen, die sich an Herrschaftsmethoden und -perioden der jüngeren deutschen Geschichte orientieren, welche unserem Land geschadet haben.

Ich bitte um eine entsprechende Mitteilung bzw. Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen,

Helmut Donat-Freiherr von Bothmer

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