Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter,
Sie haben bereits am 8. April öffentlich im Fernsehen von einem „Vernichtungskrieg“ in der Ukraine gesprochen. Gestern haben Sie es erneut getan.
Sie legen damit nahe, als handele Russland nach dem Muster der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Walter von Reichenau und der SS-Einsatzgruppe C im Krieg gegen die Sowjetunion. Solche Vergleiche sind weder rechtschaffen noch redlich. Der Begriff „Vernichtungskrieg“ ist nicht zu lösen von den flächendeckenden Grausamkeiten und Ausrottungsprogrammen der deutschen Wehrmacht im Osten und Norden Europas. Erinnert sei hier nur an das Massaker von Babyn Jar, wo in nur 2-3 Tagen Ende September 1941 über 37.000 Juden ermordet worden sind – unter Beteiligung der ukrainischen Hilfspolizei.
Ich frage Sie: Inwieweit unterscheidet sich Ihr Vergleich von dem des ukrainischen Präsidenten W. Selenskij, der am 5. April 2022 in einer Video-Botschaft erklärt hat, in einigen Dörfern hätten die russischen Soldaten schlimmere Verbrechen als die Nazis vor 80 Jahren begangen? Niemand hat ihm widersprochen, was alles noch schlimmer macht, weil der Sinn für die Realitäten vollends verloren geht. Dass ein deutscher Politiker wie Sie die ukrainische Verharmlosung des Holocaust und des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion offenbar aus eigenem Betreiben die Stange hält und sich damit für kriegspropagandistische Zwecke hergibt, dürfte bislang einmalig sein und Ihnen wohl nicht zur Ehre gereichen. Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich so weitermachen und weiter von einem „Vernichtungskrieg“ reden? Und: Mit welchem Recht klagen Sie als Deutscher die immer noch als mutmaßlich geltenden Gräueltaten von russischen Soldaten bzw. die Zerstörungen in der Ukraine an und setzen diese in eine Beziehung zu dem Vernichtungskrieg der 1940er Jahre?
Ich bitte um eine Erklärung und Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Helmut Donat-Freiherr von Bothmer